< RARE MUSIC STARTSEITE

Pehr Henrik Nordgren

TOWARDS EQUILIBRIUM Harmonie und das wirkliche Leben,
Equilibrium op. 94 (1995)

Pehr Henrik Nordgren komponierte 'Equilibrium' op. 94 im Herbst 1995 als Hommage zum 50. Geburtstag von Juha Kangas, der das einsätzige Werk am 25. November desselben Jahres in Kokkola uraufführte. "Die Musik ist für 19 Streicher gesetzt (sie kann nicht kleiner besetzt werden, verträgt aber auch keine zusätzlichen Spieler), welche alle mit ihrer eigenen Stimme dazu beitragen, das Ganze zu 'balancieren'." In dem freien Formverlauf finden sich versteckte Bezüge zu biographischen Stationen des Widmungsträgers.

'Equilibrium' beginnt mit einem für Nordgren typischen Rätselklang, einem hell schimmernden Cluster, der aus ferner Unbestimmtheit näher kommt, in Melodie gelöst sein will und in Nordgrens monodisch-polyphonischer Manier in das abwärts-gegen-aufwärts zeigende dreitönige Hauptmotiv mit Quartumfang mündet: Ein melodischer Keim ist erzeugt.

Weitere Anläufe zur Fortspinnung, doch da eröffnet sich eine ganz andere Welt, wiederum Pianissimo, aber von großer Ruhe, weiträumig, kontinuierlich anwachsend, allmählich mächtiger und unruhiger werdend: Die Welt des Tons F, seine Obertonwelt, Raum gebend für vierteltönige Umspielung, eine idyllische Intonation. "Da fand ich die Idee von 'Equilibrium', der Balance zwischen diesen Stimmungen, von einem harmonischen Leben, wo alles im Gleichgewicht ist, das Stabile und das Instabile. Aber warum bin ich nicht weitergegangen auf diesem Weg? Warum öffnete ich eine andere Tür? Das kommt daher, daß ich die Welt immer als einen Kampf erlebt habe: zwischen gut und böse usw., diese dualistische Denkungsart. In 'Equilibrium' wollte ich dieser Welt entfliehen, und zwischendurch ist das gelungen, aber dann kam sie wieder. Eigentlich müßte es 'Towards Equilibrium' heißen."

 

 

Das Hauptmotiv kehrt wieder, wird Triebfeder und führt in die kontrastierende Sektion mit "vagen Imitationen typischer Polska-Tänze. Es sind nur kleine, kurze Partikel. Es ist kein Tanz. Es ist wie ein Rückblick auf die Zeit, als Juha Kangas mich mit der Volksmusik bekannt machte, mit der Spielmanns-Tradition." Bezüglich dem Vorangegangenen besorgt dieses humoristische 'Intermezzo' eine außerordentliche Spannung und führt in obsessiv-spielerischer Weise zum Höhepunkt der Unruhe im Stück. "Diesmal wurde ich wirklich ein 'Sklave meiner Themen'. Meine Absicht war, daß alle diese tänzerischen Elemente wie in einem Schatten sichtbar werden sollten, irgendwo hinter etwas. Doch das Neue wurde gegen meinen Willen zur Hauptsache." Nochmals flackern die Tanzmotive auf, doch diesmal siegt das anfängliche Quartmotiv und verdrängt sie.

In eine neugeschaffene beruhigte, empfängliche Stimmung tritt ein neues Motiv: H-A-G-As (die Tonbuchstaben des Namens Juha Kangas, Gegenstand unablässiger Dur-Moll-Kollision), das zusammen mit dem Hauptmotiv und gelegentlichen gezähmten Einwendungen aus der Tanzepisode den Schlußteil bestimmt, der in zweitem Anlauf in majestätischem Aufstieg gipfelt. Als das schillernd hohe Schluß-Fortissimo abreißt, klingt in der Tiefe F-A nach, irdisch, ohne Emphase zentrierend. "Ich arbeite die ganze Zeit mit demselben musikalischen Material, aber da sind diese Türen. Ich wiederhole und verändere den Charakter dabei. Da Musik eine Form ist, die in der Zeit aufgebaut wird, muß da etwas sein, was, auf die Zeit bezogen - periodisch - wiederkommt: Sie bekommen verwandte Punkte. Schritt für Schritt finden Sie: Das ist eine verwandte Angelegenheit. Sie erkennen etwas wieder, was Sie bereits getroffen haben. Es ist wie ein Puzzle, das Sie zu einem Wort zusammensetzen."

Christoph Schlüren 1997

[Einführungstext zu BIS-CD, Ersteinspielung]