Die ungeschönte Schönheit der
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Die Musik des Nordens gilt bei uns tendenziell
als naturhaft und melancholisch. Und die nordische Landschaft wird
assoziiert mit Einsamkeit, Kälte und Dunkelheit. Also müßte
man derlei Züge bei den meisten Künstlern aus dem Norden
finden. Und man findet sie. Der einflußreichste nordische
Komponist war Jean Sibelius, und bei ihm war nicht nur seit Adorno
von "Symphonien der Tausend Löcher" die Rede, sondern
auch in wohlmeinender Ignoranz von "Landschaftsmusik":
man stülpte dem bekennenden Symphoniker eine naturalistische
Fassade über, weil die Außenseite seiner klingenden Organismen
im orchestralen Reichtum sich als höchst ergiebig fürs
Illustrative erwies. Daß solcher Zugang nur das Abschmecken
des lokalen Effekts erlaubt und dem Erleben der Dynamik des Gesamten
im Wege steht, leuchtet ein. Rhythmus und vollendeter Zartheit -
zugleich jederzeit bereit, das Dämonische emporfahren zu lassen
- jedem dieser kleinen Meisterwerke seine spezifische Macht des
Gehalts und kreiert den zauberischen Bannkreis des sibelianischen
Misterioso. Der neben Allan Pettersson bedeutendste Tonschöpfer
seiner Generation in Schweden war Sven-Erik Bäck (1919-94),
wie Blomdahl und Lidholm Schüler Hilding Rosenbergs. Wie wenige
vermochte er für Streicher zu schreiben und entwickelte einen
ganz und gar originären Stil fern bestehender Schulen und in
seinem kapriziösen Individualismus unfähig, Schule zu
machen. Hoffentlich werden auch seine Werke für Streichorchester
zugänglich gemacht - am besten durch Juha Kangas, der mit seinem
Ostbottnischen Kammerorchester grandiose Einspielungen von Anders
Eliasson (geb. 1947), dem wichtigsten Komponisten im heutigen Schweden,
vorlegt (nach essentiellen Beiträgen zu einer Portrait-CD,
Caprice 21381). Eliassons Weg führt ständig über
den schmalen Grat zwischen inwendiger Kantabilität und verzweifeltem
Aufbegehren. Das Violinkonzert ist neben der bisher nicht erhältlichen
Saxophonsymphonie sein bislang reifstes Orchesterwerk. Christoph Schlüren (Beitrag für Frankfurter Rundschau, Januar 1996) |