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Johann Sebastian Bach: Englische Suiten

Nr. 1 A-Dur, Nr. 3 g-moll, Nr. 6 d-moll

Murray Perahia (Klavier) Sony SK 60276 Der seltene Fall, daß eine Einspielung rundherum bezwingend gelungen ist, kompositorischer Inhalt und gestalterischer Ausdruck zu völliger Deckung zu gelangen scheinen, war schon bei Perahias Händel-Suiten gegeben, und wenigstens ebenso gilt das für seinen Bach. Perahias vollendete Fähigkeit, auf dem phänomenologischen Fundament von Heinrich Schenkers Lehre den Formprozeß als lebendige, organisch zusammenhängende Ganzheit zu entfalten, sein vitales Musizieren, das die Resultate harter Arbeit so natürlich und spontan präsentiert, als entstünde die Komposition im Augenblick des Erklingens – all das ist bekannt. Es gibt bei ihm keine flachen Momente, keine energetischen Tiefs: Denn stets ist der Sinn aufs Ganze gerichtet, überall bedingen sich Vorwärtsdrängen und Zurückhalten gegenseitig, bilden gleichsam Zug und Gegenzug, immer die finale Balance im Visier. Perahias Bach ist wenigstens ebenso klar in der polyphonen Darstellung wie derjenige Glenn Goulds. Doch bedarf es für Perahia dazu weder einer Striktheit im Tempo noch einer Überbetonung der Gegensätzlichkeit der Stimmen.

Sein Blick ist weitschauender, holt den Kontrast aus der großen Phrase, und ist elastischer im Umgang mit den Details. Dabei ist seine Artikulation von einer souveränen Bewußtheit und fern von jeglichem Selbstzweck, wie man dies seit Dinu Lipatti wohl von keinem Bach-Pianisten gehört hat. Perahia hat Bach monatelang auf dem Cembalo gespielt, um jene Vertrautheit mit den der Musik innewohnenden Ausdrucksmitteln zu erlangen, die seinem Spiel nun einen Ausnahmerang zuweisen, der anderen neue Wege weisen wird. Auch aufnahmetechnisch wurde Außerordentliches geleistet. Nur die entstellende deutsche Übersetzung von Perahias eigenem Text im Booklet trübt die Freude entschieden. (csc) Interpretation: höchste Bewertung (Rezension für Music Manual)