Erhebende DesasterBarbirolli dirigiert Mahler, Strauss, Schönberg |
Gustav Mahler, die Brillanz und die Leidenschaften - ein unerschöpfliches Thema, gerade auch für die Dirigenten. Da Mahler in seinen Symphonien fast immer organischem Zusammenhalt kaleidoskopische Streifzüge durch die weite Welt der Klangkontinente vorzog - über alle Untiefen hinweg gleich dem Dürstenden mit dem Wunderhorn, der jedem Drachen in den Rachen schaut - ist es nicht die meisterhafte Realisierung formaler Schlüssigkeit, die einen großen Mahler-Dirigenten ausmacht. Es kommt vielmehr darauf an, wie mitreißend diesem die Eruptionen geraten, wie erfüllt und beflügelt die sanglichen Episoden, wie charakteristisch packend er die einzelnen Themengestalten zum Leben erweckt und am Leben erhält. Nun ist die hochkomplexe, von den Kapellmeistern gefürchtete Sechste Mahler mit Sir John Barbirolli wiederveröffentlicht worden, und es ist anzunehmen, daß sie unter allen Aufnahmen den stärksten, erschütterndsten Eindruck hinterläßt: Mit unausschöpflich emporfahrendem Pathos, abrupt herausschnellenden Peitschenhieben und zum Bersten ausdrucksgeladenen Streichersätzen. Steigerungen bedrängen mit naturalistischem Übermaß, Kantilenen schaffen Panoramen des Endlosen auf der Suche nach Trost. Auch Mahlers Fünfte und vor allem die grandiose, vielgerühmte Neunte (mit den Berliner Philharmonikern) mit Barbirolli sind allererste Empfehlungen für furchtlos-andächtige Klangschlürfer mit Hang zum erhebenden Seelendesaster. Mit der Sechsten ist übrigens Strauss' monumentales "Heldenleben"
gekoppelt, auch dies - in epischer Breite wie auf keiner Platte
sonst - eine Ausnahme-Aufnahme... Kein Wunder, wenn Barbirolli von
Schönbergs frühem, überbordendem Gefühlsdrama
"Pelleas und Melisande" gleichfalls die glühendste
Einspielung vorgelegt hat, zusammen mit den Metamorphosen von Strauss,
jener späten Apotheose der Resignation - die lag Barbirolli
nicht fern, der 1970 als Opfer exzessiven Alkoholismus aus dem Leben
schied. Alle Aufnahmen sind aus den letzten Jahren. Christoph Schlüren (Rezension für das |