Jeder Gesang ein JuwelItalienische Berglieder, harmonisiert von Arturo Benedetti Michelangeli |
Arturo Benedetti Michelangeli (Italiens überragender Pianist und laut
Sergiu Celibidache "der größte Musiker des Jahrhunderts")
als Arrangeur von piemontesischen, lombardischen und provenzalischen
Volksliedern? Es ist kein Scherz, obwohl die Bezeichnung "Arrangeur"
der Leistung nicht gerecht wird. Schon in seiner Jugend begeisterte
sich Michelangeli für die herbe Gesangskultur des 1926 gegründeten
Coro della SAT. Zwischen 1954 und 1983 harmonisierte er für
die ihm ans Herz gewachsenen Herren aus den Trentiner Bergen 19
Volkslieder. Dabei gelang es ihm, delikateste harmonische und subtilste
kontrapunktische Raffinessen einzubauen und dabei die natürliche
Wirkung der einfachen Lieder nicht nur zu erhalten, sondern zu vertiefen
und zu veredeln. Jeder der von ihm bearbeiteten Gesänge ist
ein einzigartiges Juwel. Schwer fällt es, einige davon hervorzuheben,
aber seine letzte Schöpfung "Ndormenzete Popin" (1983)
ist in der Ravel-verwandten Zartheit und schwebenden Atmosphäre
sicher einmalig. Michelangeli hat jedoch nirgends bloßen Stimmungszauber
entworfen die ursprüngliche Dynamik und treibende Kraft
ist lediglich spezifischerer Formung unterworfen.
Der humorvoll-todernst gezupfte Baßkontrapunkt in "Lucia Maria" läßt, wie manches andere, den großen Pianisten ahnen, ohne daß je etwas im einschränkenden Sinne "pianistisch" wirkte. Vor allem bei mehrfachem Hören erhält man den Eindruck, daß Michelangeli nicht nur höchst feinsinniger Tonpoet war, sondern womöglich als Komponist Wesentliches zu sagen gehabt hätte. Jedenfalls hat er die seelische Wärme, den geradlinigen Ausdruck und ganz sicher die urtümlich kehligen stimmliche Authentizität und den vitalen Ensemblegeist der SAT-Sänger geliebt und über diese Adresse eine zeitlose Serie unprätentiös schlicht elaborierter Zeugnisse schöpferischer Eigenart hinterlassen, die hier mit Inbrunst wiedergegeben werden. Christoph Schlüren (Rezension für Music Manual) Coro della SAT (Trento), Mauro Pedrotti |