|
Teldec 0630-19992-2/Vertrieb: east-west
Sándor Veress (1907-92), der ab 1949 im Schweizer Exil lebte
und am Berner Konservatorium u. a. Heinz Holliger in Komposition
unterrichtete, ist der wahrscheinlich bedeutendste ungarische Komponist
zwischen Bartók und Ligeti/Kurtág. Die sechs Csárdás
von 1938, jeweils ungefähr eine Minute lang, sind Studien zwischen
Folklore und barockisierendem Neoklassizismus, die im Kleinen viel
vorwegnehmen. Beide Hauptwerke dieser Zusammenstellung von Ersteinspielungen
sind Anfang der fünfziger Jahre entstanden: Die "Hommage
à Paul Klee" (sieben von Klee-Bildern inspirierte "Fantasien")
1951 und das Konzert 1952 im Auftrag Paul Sachers für das Basler
Kammerorchester. Veress ist ein klassischer Tonbaumeister. Die brillant
geschliffene Detailarbeit steht im Dienste der ausgewogenen Gesamtform,
welche das oberste Kriterium darstellt. Die existentiellen, angstbesetzt
suggestiven Dimensionen Béla Bartóks sucht man hier
vergebens, obwohl in vielen Sprachwendungen und Gesten der Einfluß
des großen Landsmanns unverkennbar ist. Bei Veress fusionieren
die musikantischen ungarischen Elemente mit frei behandelter, spröder
Zwölftontechnik und an Johann Sebastian Bach anknüpfender
spielerischer Objektivität zu einer Tonsprache für Gourmets
der klassischen Moderne.
Sehr originell sind einige der Paul Klee-Klangbilder, darunter rasant und rhythmisch
lebendig Wirbelndes wie "Feuerwind" und "Kleiner
Blauteufel", perkussiv Skurriles wie die "Steinsammlung"
oder Balladeskes wie "Alter Klang". "Unten und oben"
klingt in den kontrapunktischen Kunststücken wie zeitversetzter
Bach. Das motivische Handling ist streng, dadurch manchmal rhythmisch
gleichförmig wie in den einleitenden "Zeichen in Gelb",
deren Quartmotivik später wiederkehrt. Klare, symmetrische
Form bestimmt das halbstündige Konzert, das in den verhalten
lyrischen Episoden am persönlichsten wirkt. Die Aufführungen
der beiden furiosen Solisten und des virtuosen Ensembles unter dem
befeuernden Heinz Holliger sind auf superbem Niveau, wenngleich
dem Orchesterspiel im Forte mehr Flexibilität, nuanciertere
Phrasierung zu wünschen wäre. Exzellente Klangtechnik.
Wer mehr von Veress hören will, sei auf eine exemplarische
Holliger-Produktion hingewiesen, die Werke aus den sechziger Jahren
vorstellt (ECM 447390-2).
Christoph Schlüren
(Rezension für Music Manual) |