"Große Farbigkeit - ja, die habe ich." Rautavaara komponiert
in einem pluralistischen, vielerlei Elemente der Musikgeschichte
einschmelzenden und stets neu legierenden Stil von sehr persönlichem
Charakter. Nach dem Ausbrechen aus den nordisch-russischen Ausdruckstraditionen
und der Erfahrung der Begrenzungen der seriellen Methoden fand er
zunächst zu einem satt wohlklingenden, neoromantisch schwärmerischen
Ton von diesseitiger Virtuosität, den er mit Hilfe der erworbenen
Techniken bändigte und allmählich in ein vielschichtig
mystisch orientiertes Formspiel wechselnder und sich verwandelnder
Klangteppiche von vielfältig schillernder Farbenpracht einband.
In der Oper, der Chor- und Orchestermusik ist er heute einer von
Finnlands führenden und erfolgreichsten Komponisten. Cantus
Arcticus, ein Konzert für Vögel und Orchester in Rautavaara-typischer,
raffiniert aufbereiteter Einfachheit, avancierte gar in der angelsächsischen
Welt zum Bestseller.
Geboren am 9. Oktober 1928 in Helsinki, kam Einojuhani Rautavaara
verhältnismäßig spät zur Musik, obwohl der
Vater Opernsänger war und viele weitere Verwandte den Sängerberuf
ausübten. Die Kriegswirren verhinderten eine kontinuierliche
Ausbildung: "Gerade als ich mit dem Klavierspielen begonnen
hatte, mußte ich wegen der Bombardements von Helsinki wegziehen.
Als ich dann siebzehn war, hatte ich eigentlich nichts. Ich konnte
nicht einmal Noten lesen." Beide Eltern verlor er früh,
aber die Entscheidung seines Lebens hatte er da längst getroffen:
"Irgendwann habe ich zu meiner Mutter gesagt: 'Jetzt habe ich
mich entschlossen, Komponist zu werden!' Denn alles war so schwierig
für mich: In der Schule war ich nicht besonders gut, im Sport
auch nicht. Das Leben und die Leute wollten immerfort Sachen von
mir, zu denen ich nicht in der Lage war. Aber im Komponieren habe
ich etwas gefunden, wovon ich dachte: "Hier kann ich eine eigene
Welt schaffen, wo ich der Herr bin, die nicht attackierbar ist.
Wo alles, was ich auch machte, richtig wäre und kein Mensch
intervenieren könnte, um zu sagen: 'Das ist falsch! Das kannst
du nicht! Dazu bist du noch nicht fähig!' Meine Kompositionen
wuchsen organisch. Von Musiktheorie wußte ich noch sehr wenig.
Aber beim Komponieren fühlte ich mich sicher. Das war natürlich
Weltflucht, und Weltflucht ist es für mich auch geblieben.
Ich wollte in dem Turm sitzen und Dinge daraus in die Welt hinausschicken."
Ab 1950 studierte Rautavaara Musikwissenschaft an der Universität
von Helsinki und Komposition an der Sibelius-Akademie bei Aarre
Merikanto, dem führenden Modernisten der zwanziger Jahre, der
den Elan der frühen Jahre inzwischen verloren hatte zugunsten
eines blassen Neoklassizismus. "Merikanto hat nie ein Wort
über Form gesagt - wohl, weil er selbst nicht darauf achtete."
Rautavaaras erste gültige Werke wie die folkloristische Pelimannit-Suite,
das erste Streichquartett und das Divertimento für Streicher
entstanden ohne Umschweife unter dem Einfluß Bartóks.
Nach der Wehrdienstzeit war Rautavaara für einige Monate in
Wien, wo er in der verfallenden Idylle des Palais Schönburg
wohnte, in einer Musikerkolonie in der russischen Besatzungszone
mit schwedischen Sängerinnen, fünf mexikanischen Pianisten
undsofort - der Beginn des Rautavaara-Pluralismus... Er entdeckte
die Welt Rainer Maria Rilkes für sich und komponierte die "Fünf
Sonette an Orpheus". Auch später kehrte er wiederholt
zu Rilke zurück. Doch mitten aus den Wiener Träumereien
riß ihn ein Telegramm des Dirigenten und Sibelius-Schwiegersohns
Jussi Jalas: "Sibelius will Dir ein Stipendium in New York
zukommen lassen. Kannst Du reisen?" Das Stipendium hatte Sibelius
von der Koussevitzky-Foundation erhalten und konnte es einem jungen
Komponisten seiner Wahl übertragen. Rautavaara wurde ausgewählt,
da er mit seinem unbekümmerten Blechbläserwerk "A
Requiem In Our Time" 1953 einen in Cincinnati ausgeschriebenen
Kompositionswettbewerb gewonnen hatte.
1955-56 studierte er in New York an der Juilliard School bei Vincent
Persichetti, "der sehr wichtig für mich war. Er brachte
mir Handwerk bei. Zu jener Zeit schrieb er gerade sein Lehrbuch
"The 20th Century Harmony", in dem er objektiv Techniken
beschreibt und nicht wertet. Er vermittelte keinen Fanatismus wie
später die Darmstadt-Europäer. Das Dogma habe ich erst
nach Amerika angetroffen." Zwei Sommer belegte er in Tanglewood
Kurse bei Aaron Copland und Roger Sessions. Copland hat mir einmal
gesagt: 'Ja, das Stück ist soweit fertig. Aber du mußt
noch die Baßstimme durchlesen. Sieh zu, daß da alles
in Balance ist, nicht repetitiv, so, daß es als melodische
Erscheinung gut ist.' Und er sagte: 'Meine Lehrerin in Paris, Nadia
Boulanger, hat mir diesen Rat gegeben. Sie erhielt ihn von ihrem
Lehrer, Gabriel Fauré, und Fauré wiederum hat es von
Saint-Saens bekommen, der sein Lehrer war. Und Saint-Saens hatte
es von Franz Liszt, der ihn ausgebildet hatte. Nun gebe ich es an
dich weiter.' Das war ein unglaublicher Moment, in dem ich fühlte,
wie ich Teil einer großen Tradition wurde."
Trotzdem: Als er wieder nach Helsinki zurückgekehrt war, spürte
Rautavaara, daß er technisch nach wie vor "nicht reif"
war: "Ich konnte nur stückweise vorgehen, hatte die Form
nicht im Griff." Da riet ihm der um einige Jahre ältere
Erik Bergman, nach Ascona zu fahren und bei Wladimir Vogel Privatstunden
zu nehmen. Rautavaara ging umgehend zu Vogel, blieb dort einige
Monate und wurde mit gestrenger Pedanterie in den seriellen Techniken
unterwiesen: "Da habe ich zum ersten Mal wirklich Technik gelernt."
Ein Aufenthalt in Köln bei Rudolf Petzold schloß sich
an, "aber das war nicht so wichtig. Da war ich schon sozusagen
sicher." Technisch, möchte man ergänzen - stilistisch
noch lange nicht. Die Folgen der Auseinandersetzung mit der Serialität
sind an den ersten vier Sinfonien abzulesen, die zwischen 1956 und
1963 entstanden. Die erste, während der amerikanischen Zeit
komponiert, war ursprünglich viersätzig, doch nach einer
späten Revision sind nur zwei Sätze übriggeblieben.
Das melodiöse, traditionell sinfonische Andante trägt
deutlich die Nähe von Schostakowitsch und Prokofjew mit sich,
und das knappe finale Scherzo ist verdammt beeindruckt von Prokofjews
spritzigem Sarkasmus. Die zweite Sinfonie hingegen hat das naiv
bekennerische Moment hinter sich gelassen und ist mit der Anwendung
der neuen technischen Mitteln gelegentlich in die Nähe von
Strawinskijs kunstvoller Sprunghaftigkeit geraten. Man hat die dritte
Sinfonie als Synthese der Bestrebungen der ersten zwei Sinfonien
bezeichnet. Auf alle Fälle ist sie ein eindrucksvolles Kuriosum
in der sinfonischen Geschichte, eine unverblümt neotonale 'Bruckneriana'
auf der Basis serieller Disziplin, die mit dem d-moll-'Urnebel'-Tremolo
beginnt, durchsetzt ist von Brucknerischen prägnanten Themenbildungen,
Steigerungsmitteln, ruheerfüllten Übergängen, Entschiedenheit
und Machtfülle der Orchestration und, nicht zuletzt, Satzcharaktere
wie "Langsam, doch nicht schleppend" oder "Feierlich"
auf deutsch einfordert. Die Ergebnisse der dramatischen Auftürmungen,
die Entladungen bleiben in ihrer kurzatmigen Verve naturgemäß
fern vom Vorbild. Interessant ist aber, daß Rautavaara in
dem Moment im langsamen Satz seine persönlichen Qualitäten
am ungehindertsten einzubringen versteht, wo er den Charakter mit
"Leicht, bewegt, träumend frei" vorgibt - das nun
ist sehr unbrucknerisch. 1986 zog Rautavaara seine 1964 vollendete
vierte Sinfonie zurück und ersetzte sie durch die "Arabescata"
von 1963. Dieses Werk steht in krassestem Gegensatz zur dritten
Symphonie, indem die serielle Systematik konsequent auf alles angewandt
wurde. Der Mittelsatz zum Beispiel wurde aufgrund von auf Millimeterpapier
gezeichneten geometrischen Figuren konzipiert. Diese Entwicklung
war "notwendig für mich. Ich selbst höre am liebsten
meine Fünfte oder die Dritte, nicht die Vierte. Aber immerhin,
sie war das erste serielle Werk in Finnland. Ich wollte sehen, was
ich auf diesem Weg finden kann, und es wirklich bis zum Extrem durchmachen.
Alles ist da von Serie beherrscht. Danach sah ich: Ich kann nicht
weitergehen auf diesem Weg. Das war alles, was drin war." Allerdings
wandte sich Rautavaara nicht prinzipiell gegen die seriellen Techniken:
"Die sind doch Hilfsmittel. Ich habe immer wieder Zwölftonserien
benutzt. Heute verwende ich sie sogar wieder sehr viel. Zum Beispiel
in Canto IV für Streicher, das beginnt mit einer Reihe. Eines
morgens habe ich diese zwei ersten Takte gefunden - improvisatorisch,
und da habe ich gemerkt: Das ist ja eine Zwölftonreihe! Auf
dieser Reihe habe ich dann gebaut, wenn auch ganz anders, ganz weit
weg von Schönberg oder Webern."
Zunächst jedoch führte Rautavaaras Suche nach der persönlich
umfassenden Aussage zu "man hat gesagt: 'romantischen' Kompositionen".
Das sinnlich-bravouröse, warm und instrumentengerecht empfundene
Cellokonzert von 1968 und in der Folge das figurativ ausladende,
pianistisch dankbare Klavierkonzert, eine Rachmaninow-Beschwörung
für den eigenen Gebrauch öffneten die Hemmschleusen für
schwelgerischen Melodiefluß und |
Dreiklangsherrlichkeit. Subtiler, abgeklärter, von heller,
durchgehörter Farbigkeit wurde seine Schreibweise in den siebziger
Jahren, und so entstanden Cantus Arcticus (1972) und das Flötenkonzert
(1973). Diese Werke dürften in ihrer luftig-spielerischen Subtilität,
ihrer klassizistischen Grazie voll überraschender Assoziationen
von einem gewissen zeitlosen Erfolg umrankt sein und seien durchaus
dem Rautavaara-Neuling ans Herz gelegt. Wie sich in Cantus Arcticus
die Vogelstimmen in der Amalgamierung mit den Orchesterinstrumenten
märchenhaft vermenschlichen, wie die recht simple Paraphonie
der streckenweise harmoniegesättigten Melodiebögen in
der Gegenüberstellung mit den Naturlauten eine archaische Ruhe
und Neutralität ausstrahlt: da nimmt es nicht wunder, wenn
das kleine Triptychon zum heiter-melancholischen Kultstück
wurde. Im Flötenkonzert spielt der Solist (vorzüglich:
Petri Alanko) alle gängigen Typen der Flötenfamilie von
der Baßflöte bis zum Pikkolo. Mit untrüglichem Sinn
für die Wirkung der jeweiligen Lage, für den passenden
Satzcharakter und die charakteristische Instrumentation, Fluidität
bis zu unverstellter 'Verweile doch'-Naivität und brillantem
Witz in den knappen schnellen Abschnitten gelang Rautavaara hier
eines der besten Konzerte in der nicht allzu ergiebigen Flötenliteratur
- die natürliche Leichtigkeit und Durchlässigkeit des
Flötenklangs liegt ihm vielleicht am besten.
1976 wurde Rautavaara, der seit zehn Jahren Vorlesungen in Musiktheorie
hielt, zum Kompositionsprofessor an der Sibelius-Akademie ernannt
- eine Funktion, die er bis 1990 ausübte. Sein bedeutendster
Schüler ist Kalevi Aho, einer der führenden Sinfoniker
der nordischen Welt von überbordendem Gestaltungsdrang und
stupender Materialbeherrschung. Rautavaara ließ seinen Schülern
weiten Entfaltungsspielraum, konfrontierte sie mit der ganzen Fülle
musikalischer Vergangenheit und Gegenwart und verstand doch, handwerklichen
Schliff durchzusetzen. Heute hat er sich von der Bühne des
ständigen Ideenaustauschs zurückgezogen: "In den
letzten zehn Jahren habe ich skandalös wenig von meinen Kollegen
gehört. Ich kenne die eigentlich gar nicht. Nach meiner Tätigkeit
als Lehrer hatte ich reichlich genug und wollte nichts mehr hören
außer meiner eigenen Musik. So bin ich jetzt mehr denn je
Egozentriker." Ob er vielleicht auch störenden Einflüssen
entgehen will? "Da ist keine Gefahr. Ich kann mir kaum vorstellen,
daß einer, der sich ein bißchen auskennt, Schwierigkeiten
hätte, meine Handschrift zu erkennen in der Musik, die ich
in den letzten 25 Jahren komponiert habe."
Das Signum von Rautavaaras Handschrift seit der vollberechtigten
Integration "neoromantischer" Ausdrucksmittel ist Synthese.
In dem Standardlexikon 'Contemporary Composers' (St. James Press,
Chicago 1992) kommentierte er seine zentrale schöpferische
Intention: "In meinen späteren Werken ist ein klares Interesse
an den Möglichkeiten untereinander bezogener Vernetzung tonaler
Systeme und der sie erzeugenden Hierarchien am Werk. Vor allem ist
meine Neigung zur Möglichkeit der Synthese - der Bedarf danach
und Glaube daran - ständig gewachsen in den sehr unterschiedlichen
Phasen meiner kompositorischen Laufbahn. Natürlich muß
das Zusammenbringen verschiedener (und nach Meinung mancher gegensätzlicher)
Systeme zum Bruch mit den Tabus eines jeden Systems führen.
Ich denke jedoch, daß alle künstlerischen Tabus Zeugnis
von Kurzsichtigkeit (in Raum und Zeit) und oftmals von Rassismus
sind."
Die fünfte Sinfonie von 1986 ist in vielgliedriger Einsätzigkeit
und Komplexität herausragender Beleg der synthetischen Motivation,
die momentweise in die Nähe des Überkomplexen führt,
wenn die orchestrale Transparenz in Gefahr kommt. Doch sind es sehr
seltene, atypische Momente in Rautavaaras Schaffen, wo die Klarheit
der Zeichnung im aufgewühlten Farbensee vorübergehend
verwischt wird. Die sechste Sinfonie, "Vincentiana", ist
eine sinfonische Synthese der musikalisch substantiellsten Bilder
aus der van Gogh-Oper "Vincent" in vier Sätzen. Ein
DX7-Synthesizer symbolisiert die Weltentfremdung in einer Musik
von starker Bildhaftigkeit zwischen stillstehender Weltvergessenheit
und elementarer Wucht, und im dritten Satz (Saint Rémy) führt
eine besessene Valse grotesque durch immer dissonanteres Gestrüpp
in die Katastrophe - frohes äußeres Treiben kippt um
und bricht in sich zusammen. Doch ist die "Vincentiana"
von viel überschaubarerer, psychologisch eindeutiger abgeleiteter
Faktur als die fast hermetische Stilverschmelzung der Fünften.
Gemeinsam ist diesen Werken das atmosphärisch schleierhafte,
quasi prämusikalische Beginnen, die klare Ausbildung voneinander
abgegrenzter, wenngleich sehr raffiniert "natürlich"
miteinander verbundener Abschnitte, die Liebe zu paraphonen oder
in Gegenbewegung gesetzten, ruhig pulsierenden, rhythmisch gleichbleibenden
Melodiebögen, zu verspieltem Figurenwerk und schwirrendem Tremolo,
zu Symmetrien und kontrapunktischen Überlagerungen. Doch die
im letzten Jahr entstandene siebente Sinfonie dürfte die Krönung
von Rautavaaras bisherigem sinfonischen Streben sein: "Angel
of Light", das vierte Werk seines zeitlich weitverstreuten
Engel-Zyklus, wo der Engel nicht als mythische Luftgestalt, sondern
als Archetyp gemeint ist: "Von ihm sagt C. G. Jung: '...niemand
erträgt den völligen Verlust des Archetypus'. Er muß
uns folgen und und wir ihm, wenn wir das Leben bewältigen und
die Welt verstehen wollen." Und den vier Stationen des Lichtengels
vermag man mit Begeisterung zu folgen. Hier hat ein Komponist seinen
Weg gefunden, vielleicht nur für dieses eine Mal in solcher
Vollgültigkeit, und die einzelnen Teile der sich in extremer
Verschiedenheit machtvoll ergänzenden Sätze gehen mit
solch unmerklicher Geschmeidigkeit ineinander über, daß
die Gefahr des Episodischen kaum gegeben ist. Stark ist auch der
Sinn für Zusammenhang in den ausdrucksvollen vier Cantos für
Streichorchester entwickelt, die zudem von dem phänomenalen
Engagement der Musiker um Juha Kangas profitierten: "Eine einmalige
Kombination von der Liebe der Amateure zur Sache und höchstem
Professionalismus. So etwas ist mir sonst nie begegnet." Da
kann man auch - in Hommage à Kodály - hören,
welch vielfarbig schillernde Klangverwandlungen aus einem reinen
Streicherkörper gewonnen werden können. Auch die meist
experimentelleren Chorwerke Rautavaaras übrigens beeindrucken
mit distinktem Gespür für außergewöhnliche
Farben.
Was beschäftigt Rautavaara heute vor allem? "Jetzt schreibe
ich Opern. Das fasziniert mich umso mehr, wo ich die Libretti selbst
schreibe. Das Libretto schreitet voran, während ich bereits
mit der Musik beginne. Bei "Vincent" mußte ich erst
die Ausstellung im New Yorker Metropolitan Museum besuchen, um die
Lösung für den dritten Akt zu finden. Als er in Holland
angefangen hat, waren alle seine Bilder so dunkel. Aber dann, als
er krank und am Ende war, war alles voll von Farbe und Glaube an
das Leben. So mußte der letzte Akt eine Apotheose sein - für
seine Kunst!" In seinen Opern kann Rautavaara all das zum Einsatz
bringen, was als Synthese den absolut musikalischen, sinfonischen
Rahmen sprengen würde. Sein Geschick, seine Imaginationskraft
als Orchestrator danken ihm die Sänger ebenso wie die immer
kantable, stimmbewußte Linienführung und die phantasievolle,
abwechslungsreiche Handlungssteuerung im Grenzbereich zwischen Mystischem
und Rationalem. Diese Größen bestimmen auch seine musikalische
Handschrift: das Ausufern der Klangphantasie wird stets in Schach
gehalten mit seriell geschultem Systemdenken von diesem immerzu
entdeckungsfreudigen Steuermann der Farbenpracht.
Christoph Schlüren
(Originalmanuskript eines Beitrags für
Fono Forum, 1996) |