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Karol Rathaus

1. Symphonie op. 5, Der letzte Pierrot op. 19
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Israel Yinon

Mit Karol Rathaus (1895-1954) porträtiert die Decca-Serie "Entartete Musik", die sich der im Dritten Reich unterdrückten Musik widmet, einen Komponisten, der vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1932 zuerst nach Paris, dann in die USA emigrierte. Der zu Beginn der dreißiger Jahre hochgehandelte Tonsetzer wirkte dann als Musikprofessor in New York. Seine 1. Symphonie von 1921-22 ist ein überschwengliches Jugendwerk in zwei Sätzen, die Rathaus als "rücksichtslose Bekenntnismusik" bezeichnete. Das gilt vor allem für den imposant beginnenden, kontrapunktisch wuchernden, glutvoll leidenschaftlichen ersten Satz, der die von Wagner ausgehende farbenreiche Expressivität seines Lehrers Franz Schreker dissonanzgeladen übersteigert. Rathaus, der exzellent zu orchestrieren verstand, erhob hier seine Stimme als expansionistischer Sinfoniker im Gefolge von Strauss und Mahler und schuf eindrucksvoll ruhelose, chromatisch sich übereinandertürmende Gestalten einer Übergangsmusik zwischen wehmütigem Verenden und stürmischem Aufbegehren. Der zweite Satz ist von ruhigerem Charakter, und deutlich zeichnet sich Rathaus’ Begabung zu geradezu gegenständlich wirkender musikalischer Szenerie ab.

Diese Begabung ist fünf Jahre später in dem dreiteiligen, skurrilen Ballett "Der letzte Pierrot" auf die Spitze getrieben – bei einfacherer, direkt verständlicher Klangsprache. Nichts mehr ist hier symphonisch entwickelt, der Kontrast ergibt sich aus der szenischen Abfolge, die Spannungsbögen sind kurzatmig. Jazz-Einflüsse und Strawinskij-nahe Dramaturgie deutscher Provenienz ergeben eine würzige, in Maßen persönlich Fusion. Israel Yinon ist ein engagierter Advokat des Vergessenen, das Deutsche Symphonie-Orchester bestätigt seinen guten Ruf.

Christoph Schlüren

(Rezension für Music Manual)

Decca 455315-2