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Albéric Magnard Symphonien Nr. 1 – 4

BBC Scottish Symphony, Jean-Yves Ossonce

Wie nur wenige französische Komponisten hat sich Albéric Magnard (1865-1914) als Symphoniker profiliert. Obwohl sein schmales Gesamtwerk durchgehend ausgefeilteste Qualität und Originalität aufweist, ist Magnard ein Geheimtip geblieben, dessen Werke im Konzertsaal fast nie zu hören sind – erst recht nicht die komplex gebauten, grüblerisch-ernsten und wirkungsvollen vier Symphonien. Die erste Symphonie in c-moll op. 4 (1890) komponierte Magnard während des Studiums bei Vincent d’Indy. Sie ist von äußerst gediegener kontrapunktischer Faktur und klassizistischer Nobilität und Disziplin und läßt ihre Herkunft aus dem deutschfreundlichen Kreis um César Franck klar erkennen. In der zweiten Symphonie in E-Dur op. 6, vollendet 1893 nach Abschluß der Studienzeit, befreite sich Magnard von den akademischen Fesseln und kam mit schwelgerischer Polyphonie gelegentlich in die Nähe von Strauss, wenngleich unter mehr schwermütigen als übermütigen Vorzeichen. Mit der dritten Symphonie in b-moll op. 11 von 1895/96 präsentiert sich Magnards Persönlichkeit in großer Farbenpracht und gestischer Vielfalt, doch bleibt die untergründige Strenge des Tonsatzes, der Wille zur Bändigung der großen, stets zyklischen Form unangetastet. Die Dritte wurde seine beliebteste Symphonie, die Vierte (in cis-moll op. 21) jedoch, 1913 im Jahr vor seinem tragischen Flammentod entstanden, ist sein eigentliches Bekenntnis von unterdrückter

Leidenschaft und rebellischem Pessimismus. Auch hier ist die Architektur von eherner Präzision und hält die Phantastik und Unruhe (Mahler-Anklänge) in Schach, doch die lodernde Emotionalität und fesselnde Atmosphäre ist bezwingender denn je. Magnards Symphonien sollte kennen, wer über die Symphonik des 19. Jahrhunderts bzw. Frankreichs im Bilde sein will, und dank dieser Neuaufnahmen sind sie wieder erhältlich. Ob allerdings vier Tage ausreichen, um vier derart anspruchsvolle Symphonien angemessen umzusetzen? Leider nicht wirklich: Die Darbietungen sind korrekt mit vielen schönen Momenten, doch um die musikalische Folgerichtigkeit zu begreifen und auszudrücken, hätte es intensiverer Einstudierung bedurft. Aber man hat keine andere Wahl.

Christoph Schlüren

(Rezension für Music Manual)

Hyperion 67030 (1. + 2.) und 67040 (3. + 4.)
Vertrieb: Koch