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Joonas Kokkonen

(geb. 13.11.1921 Iisalmi
gest. 2.10.1996 Järvenpää)

Unter den Nachfolger des überragenden finnischen Symphonikers Jean Sibelius war Leevi Madetoja der Bedeutendste. Mit den zwei von der russischen Moderne beeinflußten ersten Symphonien von Einar Englund kam nach dem Zweiten Weltkrieg frischer Wind ins nationale Musikleben. Doch erst Kokkonen vermochte der symphonischen Musik seines Landes zukunftsweisende Perspektiven aufzuzeigen. Mit der Oper ªViimeiset kiusaukset´ (Die letzten Versuchungen, 1973-75) schuf er die von archaisch choralhaften Zügen durchsetzte erfolgreichste finnische Oper, mit mehr als 250 Aufführungen womöglich der meistgespielte Gattungsbeitrag der zweiten Jahrhunderthälfte.
Ausbildung und Lehrtätigkeit. Kokkonen studierte an der Universität Helsinki und an der Sibelius-Akademie (Harmonielehre bei Selim Palmgren), wo er dann als Lehrbeauftragter (1950-59) und Kompositionsprofessor (1959-63) tätig war. 1963 wurde er zum Mitglied der Finnischen Akademie gewählt und unterrichtete privat Komposition. Zu seinen Schülern zählen Pehr Henrik Nordgren, Aulis Sallinen und Paavo Heininen. Er erwarb sich immense Verdienste um den Aufbau des finnischen Musiklebens in unterschiedlichen administrativen Positionen und gewann 1969 mit seiner 3. Symphonie den Musikpreis der Nordischen Rats.
Stilistische Entwicklung. Nach anfänglicher Einbindung in die nordische Tradition (Klaviertrio, 1948) strebte er neoklassizistischeren Idealen zu (Klavierquintett, 1953). Sein erstes Orchesterwerk, die ªMusik für Streicher´ (1956-7), indiziert zugleich den reifen Personalstil. Nun wandte er sich zwölftönigen Verfahren zu, jedoch ohne dogmatische Anwendung, so in den Symphonien Nr. 1 (1958-60) und 2 (1961) und der Sinfonia da camera (1962). In der 3. Symphonie (1967), den ªSymphonischen Skizzen´ (1968) und dem Cellokonzert (1969) ließ er die Dodekaphonie hinter sich, behielt jedoch starke Chromatik bei.

 

Höhepunkte elaboriert freier Tonalität sind die 4. Symphonie (1971) und ª…durch einen Spiegel…´ für 12 Streicher und Cembalo (1977). Als Symphoniker ist er in der organischen Strukturbewußtheit, mit neusachlichem Ethos gebändigten Expressivität seinen Zeitgenossen Vagn Holmboe (Dänemark) und Robert Simpson (England) vergleichbar. Sein abgeklärtes, kantables Spätwerk repräsentieren die Oper und das Requiem (1981).

Christoph Schlüren

"Die zusammenhangstiftende Idee, also das Thematische, ist das Entscheidende. Die Farbe ist sekundär, wenn auch zugleich geboren. Es ist nicht erstrebenswert, vorgegebenen Formschemata zu folgen, sondern man muß symphonisch denken. Die wichtigste Sache für einen Komponisten ist das innere Hören. Meine 5. Symphonie existiert in meinem Kopf praktisch komplett. Ich hoffe, daß ich noch die Kraft haben werde, sie zu vollenden. Die Oper, das Requiem, die 4. Symphonie und das Cellokonzert halte ich für meine gelungensten Werke."
Joonas Kokkonen, 1996

Kokkonen vertrat stets die Anschauung, jeder Komponist müsse unbedingt danach streben, jene Ausdrucksmittel zu entwickeln, welche für ihn allein am passendsten seien. Diese individualistische, ethische Haltung hat über seine natürliche Begabung für symphonische Struktur hinaus seine Kompositionen unverkennbar geprägt.
Pehr Henrik Nordgren, 1991
(Beitrag für den Harenberg Komponistenführer)