Unter den Nachfolger des überragenden
finnischen Symphonikers Jean Sibelius war Leevi Madetoja der Bedeutendste.
Mit den zwei von der russischen Moderne beeinflußten ersten
Symphonien von Einar Englund kam nach dem Zweiten Weltkrieg frischer
Wind ins nationale Musikleben. Doch erst Kokkonen vermochte der
symphonischen Musik seines Landes zukunftsweisende Perspektiven
aufzuzeigen. Mit der Oper ªViimeiset kiusaukset´ (Die letzten
Versuchungen, 1973-75) schuf er die von archaisch choralhaften Zügen
durchsetzte erfolgreichste finnische Oper, mit mehr als 250 Aufführungen
womöglich der meistgespielte Gattungsbeitrag der zweiten Jahrhunderthälfte.
Ausbildung und Lehrtätigkeit. Kokkonen studierte an der Universität
Helsinki und an der Sibelius-Akademie (Harmonielehre bei Selim Palmgren),
wo er dann als Lehrbeauftragter (1950-59) und Kompositionsprofessor
(1959-63) tätig war. 1963 wurde er zum Mitglied der Finnischen
Akademie gewählt und unterrichtete privat Komposition. Zu seinen
Schülern zählen Pehr Henrik Nordgren, Aulis Sallinen und
Paavo Heininen. Er erwarb sich immense Verdienste um den Aufbau
des finnischen Musiklebens in unterschiedlichen administrativen
Positionen und gewann 1969 mit seiner 3. Symphonie den Musikpreis
der Nordischen Rats.
Stilistische Entwicklung. Nach anfänglicher Einbindung in die
nordische Tradition (Klaviertrio, 1948) strebte er neoklassizistischeren
Idealen zu (Klavierquintett, 1953). Sein erstes Orchesterwerk, die
ªMusik für Streicher´ (1956-7), indiziert zugleich den
reifen Personalstil. Nun wandte er sich zwölftönigen Verfahren
zu, jedoch ohne dogmatische Anwendung, so in den Symphonien Nr.
1 (1958-60) und 2 (1961) und der Sinfonia da camera (1962). In der
3. Symphonie (1967), den ªSymphonischen Skizzen´ (1968) und
dem Cellokonzert (1969) ließ er die Dodekaphonie hinter sich,
behielt jedoch starke Chromatik bei.
Höhepunkte elaboriert freier Tonalität
sind die 4. Symphonie (1971) und ª
durch einen Spiegel
´
für 12 Streicher und Cembalo (1977). Als Symphoniker ist er
in der organischen Strukturbewußtheit, mit neusachlichem Ethos
gebändigten Expressivität seinen Zeitgenossen Vagn Holmboe
(Dänemark) und Robert Simpson (England) vergleichbar. Sein
abgeklärtes, kantables Spätwerk repräsentieren die
Oper und das Requiem (1981).
Christoph Schlüren
"Die zusammenhangstiftende Idee, also das Thematische, ist
das Entscheidende. Die Farbe ist sekundär, wenn auch zugleich
geboren. Es ist nicht erstrebenswert, vorgegebenen Formschemata
zu folgen, sondern man muß symphonisch denken. Die wichtigste
Sache für einen Komponisten ist das innere Hören. Meine
5. Symphonie existiert in meinem Kopf praktisch komplett. Ich hoffe,
daß ich noch die Kraft haben werde, sie zu vollenden. Die
Oper, das Requiem, die 4. Symphonie und das Cellokonzert halte ich
für meine gelungensten Werke."
Joonas Kokkonen, 1996
Kokkonen vertrat stets die Anschauung, jeder Komponist müsse
unbedingt danach streben, jene Ausdrucksmittel zu entwickeln, welche
für ihn allein am passendsten seien. Diese individualistische,
ethische Haltung hat über seine natürliche Begabung für
symphonische Struktur hinaus seine Kompositionen unverkennbar geprägt.
Pehr Henrik Nordgren, 1991
(Beitrag für den Harenberg Komponistenführer) |