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John Foulds

(67'•1998)
Bei genauerer Kenntnis ist es nicht übertrieben, wenn man in John Foulds (1880-1939) nicht nur einen der originellsten und bedeutendsten Tonschöpfer Englands in der ersten Jahrhunderthälfte sieht, sondern den vielleicht inspiriertesten englischen Klavierkomponisten seiner Zeit (seine, teilweise bei Lyrita erhältliche, Kammer- und Orchestermusik ist nicht weniger eigentümlich und fesselnd). Foulds war in zweiter Ehe mit Maud McCarthy verheiratet, die ihm die Welt der indischen Musik und Kultur nahebrachte. So war er in den zwanziger Jahren der erste Komponist überhaupt, der ernsthaft und auf einer soliden praktischen Grundlage "West meets East" praktizierte. Gegen Ende seines Lebens übersiedelte er tatsächlich nach Indien, wurde Musikdirektor bei All India Radio, gründete das Indo-European Orchestra und starb in Kalkutta an der Cholera. Die Manuskripte seiner letzten Werke sind verschollen. In den "Essays in the Modes", zu welchen auch das nicht im Druck erschienene "Egoistic" zählt, hält er sich jeweils ohne Modulation an den einmal vorgegebenen Modus. Damit ist er (neben Tournemires religiösen Konzeptionen) der wichtigste Vorläufer Messiaens, der zu Foulds’ sechs 1928 bei Senart in Paris veröffentlichten Essays Zugang gehabt haben dürfte. Foulds hielt jedoch grundsätzlich an der reinen Oberquinte des Grundtons fest, mied so die Abstraktionen der Atonalität und war kein Vorbote des Serialismus.Es ist blanker Hohn, wenn die Plattenfirma statt des unbekannten Komponisten, von dem zahlreiche gute Fotos existieren, die wohlbekannte Pianistin auf dem Cover abbildet. Auch im Booklet, dessen ausgezeichnete Einführung von Foulds’ Biograph Malcolm MacDonald stammt, sucht man vergebens eine Abbildung. Kathryn Stotts Darbietungen sind verläßlich und solide, insbesondere in den grifftechnisch heiklen Akkordkaskaden und rasanten Läufen. Doch der Tatsache, daß Foulds’ Musik stets leicht und luzide, dabei aber selbst im gelegentlich fast folkloristischen Ton nie graingeresk oder oberflächlich wird, trägt sie nicht genügend Rechnung. Ihr Forte ist meist klar, doch arm an Farben und oft unangemessen hart und trocken. Die Rubati und etwas größeren dynamischen Verläufe kommen häufig anorganisch und nicht in Übereinstimmung mit der Partitur.

Vor allem fehlt es Kathryn Stott an echter Piano-Kultur, das heißt kontinuierlich belebtem Vortrag, der die leisen Regionen nicht verläßt, weswegen sie wohl auch die herrliche Bach-in-India-Hommage "Gandharva-Music" nicht aufgenommen hat. Andererseits kostet sie auch das Überbordende und Grandiose nicht aus, wo es erforderlich wäre. Pianistisch ist Stott eindeutig souveräner als einst Peter Jacobs, was nicht heißt, daß sie auch in der musikalischen Charakterisierung treffsicherer wäre. Die Elgar-nahen, frühen Variationen und Improvisationen über ein eigenes Thema (1900) geraten ziemlich pauschal, die stimmungsvollen fünf "Music-Pictures" und vor allem das geradezu schubertische "English Tune with Burden" werden – bei bedauerlichem Mangel an Silberglanz und Leichtigkeit – mangels sinnfälliger Differenzierung zu etwas belangloser Light music abgeschwächt. Bleibt die ebenso kleine wie visionäre Tondichtung "April-England", deren steigerndes Improvvisando über einem ostinaten Baß frappierend auf die freiheitstrunkenen Lichtsphären Keith Jarretts vorausweist. Das ist auch unter Stotts Händen großartige Musik, die jeder aufgeschlossene Klavierfreund kennen sollte, wenngleich von einer geschlossenen Darbietung keine Rede sein kann – zu unruhig und kurzatmig gestaltet sie die einzelnen Abschnitte. Hoffentlich sind Foulds’ Klavierwerke bald endlich mit Juan Chuquisengo, der sie auf unwiderstehliche, auch im Atmosphärischen zauberhafte Weise im Konzertsaal spielte, auf CD erhältlich. Bis ist diese durchaus solide Aufnahme einer interessanten Auswahl aus John Foulds’ berückendem Klavier-Œuvre erste Wahl.
Christoph Schlüren
Vergleichsaufnahme: Peter Jacobs (Altharus 9001)
(Rezension für Klassik Heute)

7 Essays in the Modes,
Music-Pictures Groups
6 and 7,

English Tune With Burden,
April-England, Variazioni
ed improvvisati su
un tema originale;

Kathryn Stott Klavier

BIS 933