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Impressionistische Ekstase

Der Franzose Jean-Louis Florentz, geboren 1947 in Asnières, ist der eminenteste Fortführer des (einst von Debussy ausgehenden) musikalischen Impressionismus. Die Bezugnahmen auf die französische Tradition des 20. Jahrhunderts sind offensichtlich, jedoch in neue Bahnen überführt: Florentz hat sich vor allem obsessiv mit afrikanischen Musiziertraditionen auseinandergesetzt. Er ist ein mit allen Wassern gewaschener Musikethnologe. Seine Meisterschaft der Orchestration ist so immens, daß man getrost behaupten kann, es gäbe heute niemanden, der mehr aus dem Orchesterklang herausholen könnte als Florentz. So sind es die befreit pulsierende (Poly-)Rhythmik, das schlangenbeschwörerisch mäandernde, zwanglos kontrapunktierte Melos, der klangfarbliche Überschwang und die unglaublich effektive Handhabung der orchestralen Vertikale, woraus eine wahrhaft betörende, verführerische Musik erwächst, sempre quasi improvvisando , vollkommen organisch, ein herrlicher Rausch. Florentz ist einer der ganz Wenigen, die heutzutage noch fesselnde, neue Ausblicke eröffnende 'Symphonische Dichtungen' schreiben. Er ist ein Tondichter im besten Sinne des Wortes, und einer der grandiosesten Komponisten, die Frankreich in den letzten dreißig Jahren hervorgebracht hat.

Viel zu wenig kennt man diese Musik, die durchaus auf Anhieb den Hörer erreicht, ohne daß ihre Wirkung bei mehrfachem Hören nachließe. Reich an Kontrasten, beflügelt und wild aufbrausend, aber auch ins Mystische zielend, ist L'Anneau de Salomon , ein zwölfteiliger, halbstündiger 'Symphonischer Tanz' von 1998 -- eine hemmungslos attraktive, im Großen und Kleinen phänomenale Komposition. Sehr lyrisch und idyllisch, kontinuierlicher und friedvoller hingegen die Tondichtung L'Enfant des Îles von 2001. Das Orchester unter Soudant meistert die anspruchsvollen Partituren im Heftigen und Kraftvollen weit überzeugender als in den feineren, innigeren Passagen, aber es reicht zur Entfaltung überwältigend sinnlichen Prunks, und der Hörer darf sich fühlen wie ein Schatzsucher im Orient am Ziel seiner Träume.

Jean-Louis Florentz: L'Anneau de Salomon, L'Enfant des Îles; Orchestre National des Pays de la Loire, Hubert Soudant; Forlane 16832
(Vertrieb: Note 1)

Christoph Schlüren

Bewertung:             6