NORBERT BURGMÜLLER (1810-1836)Der Rheinische Schubert |
„Ich war auf Menschen nicht vorbereitet, glaubte nur an Musik, kannte
daher erst nicht die Notwendigkeit, war dann zu dumm, und bin jetzt
zu eigensinnig oder vielleicht auch zu stolz, um mich in das Wesen
und Treiben der Menschen hineinzufinden“. Mit diesen Worten
zog der 26jährige Komponist Norbert Burgmüller in einem
Brief vom Februar 1836 die Bilanz seines kurzen Lebens. Kaum drei
Monate später, am 7. Mai, ertrank der an Epilepsie leidende
Burgmüller bei einem Heilbad in Aachen unter rätselhaften
Umständen. Keines seiner Werke war zu diesem Zeitpunkt im Druck
erschienen und nur wenige waren aufgeführt worden. Das dem
romantischen Geniekult in fast idealer Weise entsprechende Schicksal
Burgmüllers sowie seine Zechkumpanenschaft mit dem desperaten
Dramatiker Grabbe, sicherte Burgmüller als Figur bei den Zeitgenossen
eine gewisse Bekanntheit. Das Wissen um Burgmüllers Werke und
deren Bedeutung bewahrt zu haben, ist hingegen wesentlich das Verdienst
Robert Schumanns, der Burgmüller brieflich einen „ausgezeichneten
Gesangsmenschen“ nannte ehe er in mehreren Aufsätzen
nachdrücklich auf das Schaffen seines gleichaltrigen Kollegen
hinwies. Die menschliche und künstlerische Krise des Jahres 1830 lässt Burgmüller
in die erste Sinfonie c-moll op. 2 (1831-33) münden. Als Bekenntnis
im Sinne des Sturm und Drang fasziniert sie noch heute durch Ausdruckskraft
ebenso wie durch meisterhafte, monothematische Arbeit der Ecksätze.
Diese umrahmen ein traumverlorenes Adagio und ein unerhörtes
Scherzo in Form eines fast brutalen Geschwindmarsches. Die Sinfonie
eröffnet häufig Ausblicke auf Schumann, der sie 1838 für
das „bedeutendste, nobelste Werk im Sinfonieenfach, das die
jüngere Zeit hervorgebracht“ erklärte. Hauptwerk
der letzten Lebensjahre (1834-36) ist die leider nur fragmentarisch
überlieferte zweite Sinfonie D-dur op. 11. Die beiden ersten
Sätze wurden von Burgmüller vollständig ausgeführt,
das Scherzo instrumentierte Schumann 1851 in Düsseldorf zu
einem guten Drittel. Er skizzierte auch einen neuen Finalsatz der
jedoch ebenso Bruchstück blieb, wie Burgmüllers eigener
Particell-Entwurf von nur 58 Takten, den der Verfasser 1983 entdeckte.
Mit diesem erstrangigen Werk nimmt Burgmüller Züge des
sinfonischen Schaffens von Brahms und Bruckner vorweg. In frappierender
Weise erscheint hier bereits die später von Schönberg
allein Brahms zugeschriebene Technik der entwickelnden Variation.
Ferner überrascht speziell im Andante die Schubert-Nähe
des Werkes, wobei eine gegenseitige Beeinflußung augeschloßen
werden kann. Im Umkreis der Sinfonie entstanden das bedeutsame,
aus grosser Fülle dahinströmende 4. Streichquartett a-moll
op.14 und das etwas bekanntere Duo für Klarinette und Klavier
op.15. Hohe Meisterschaft der Kleinform erreichte Burgmüller
in seinen intimen, späten Liedern und der geheimnisvollen Klavierrhapsodie
h-moll op.13, die Schumann begeisterte und Brahms merklich beeinflußte.
Klaus Zehnder-Tischendorf Erste umfassende WEBSITE über Norbert Burgmüller unter:
http://www.burgmueller.com |