Funkensprühender VollblutmusikantVáclav Talichs späte Aufnahmen |
Václav Talich (1883-1961) war einer der großen Dirigenten des Jahrhunderts und setzte in der Tschechoslowakei jene Maßstäbe, an denen nach ihm Rafael Kubelik oder Karel Ancerl gemessen wurden. Es waren vor allem eine ungeheuer impulsive, funkensprühende Musikalität und strenge technische und formale Disziplin, die Talich schon vor 1920 zum führenden Dirigenten des Landes aufsteigen ließen. Da er nach dem Zweiten Weltkrieg Opfer kommunistischen Rufmords wurde, verschwand sein Name von der internationalen Szene. Talich starb verbittert in unbeugsamem Stolz und wurde erst 1992 offiziell rehabilitiert. Nun hat die Tschechische Philharmonie, mit der er von 1917 bis 1956 zusammenarbeitete, eine 13-CD-Box veröffentlicht, die Einspielungen der späten Jahre präsentiert. Eins vorweg: Talich war nicht nur (zusammen mit Kubelik) der überragende Meister des tschechischen Idioms, sondern ein herausragender Mozart-Dirigent - kraftvoll, tänzerisch, stilecht jenseits von gekünstelter Sentimentalität und sportiver Oberflächlichkeit. Dieser Mozart ist "von innen heraus" verstanden von einem kontrolliert-sensiblen Vollblutmusikanten, der stets das Detail im Dienste des Ganzen vor Augen haben möchte. Die meisten der Dvorák-Aufnahmen sind von vorbildlicher Klarheit und elastischer Stilsicherheit, Zeichen noch ganz lebendiger Tradition, sei's das blühende Melos der achten Symphonie oder die sagenhafte Verwunschenheit der späten Tondichtungen, das
sangliche Feuer der Slawischen Tänze (fast nie so packend zu
hören!) oder die weitgespannte Tiefe des Stabat Mater (herrlicher
Chor, großartige Solisten). Die höchste Eigenart in der
Verschmelzung kompositorischer und dirigentischer Energien ist aber
wohl in den lyrischen Tongedichten von Josef Suk (1874-1935) erreicht,
in der Trauersymphonie "Asrael" auf Dvoráks Tod
und in der "Lebensreifung", die Talich selbst 1918 uraufgeführt
hatte - so gespielt ist Suk ein Tondichter, der Dvoráks poetische
Essenz fortspinnt und sich damit auch vor einem Richard Strauss
nicht zu verstecken bräuchte. Ein Muß sicherlich für
die Freunde spätromantischer Symphonik, und insgesamt ein Genuß
für jeden, der auf den Spuren großer Dirigentenlegenden
wandeln möchte. Christoph Schlüren (Rezension für das Münchner |