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Erich Leinsdorf zum 10. Todestag

Do, 11.9.'03, 10.03 - 11.55
(4'30 min. Text inkl. Ansagen)

Heute vor genau zehn Jahren starb der Dirigent Erich Leinsdorf, gebürtiger Österreicher und naturalisierter US-Amerikaner, in Zürich. Als Jude machte er seine Karriere während des Dritten Reichs in Amerika und besuchte von dort als berühmter Mann nach dem Kriege wieder die Alte Welt. Zu Beginn hören Sie das Orchester der Metropolitan Opera New York unter Leinsdorf in einer 1958 entstandenen Aufnahme von Gioacchino Rossinis Ouvertüre zum 'Barbier von Sevilla'.

MUSIK 1 (Rossini)

Als Erich Leinsdorf 1958 diese brillante Aufnahme von Rossinis 'Barbier von Sevilla'-Ouvertüre mit dem Orchester der Metropolitan Opera New York machte, wirkte der 46-jährige bereits zum zweiten Mal in seinem Leben in führender Stellung an dem legendären Opernhaus. Geboren am 4. Februar 1912 in Wien, hatte er als Elfjähriger mit dem Klavier- und Cellospiel begonnen und studierte bald auch Theorie und Komposition mit Paul A. Pisk. Anfang der dreißiger Jahre wurde deutlich, dass seine Zukunft im Dirigieren lag. Nach dem Abschluß des Studiums in Wien, wo er auch unter Anton Webern als Pianist des Singvereins der Sozialdemokratischen Kunststelle wirkte, wurde er 1934 Assistent Bruno Walters bei den Salzburger Festspielen. Ab dem Jahr darauf assistierte er Arturo Toscanini, der in seiner dirigentischen Präzision, leidenschaftlichen Energie, Suggestionskraft und unbeugsamen Autorität für Leinsdorf zum lebenslangen Vorbild wurde. 1937, im Alter von nur 26 Jahren, wurde er als 'Assistant Conductor' an die Metropolitan Opera berufen, wo er 1938 mit Wagners 'Walküre' sein gefeiertes Debüt gab. Man bestaunte seine geballte Energie und technische Reife. Als ihm Jahr darauf der Chefdirigent, der einstige Schreker-Schüler Artur Bodanzky, starb, wurde das deutsche Repertoire am Hause in Leinsdorfs Hände gelegt, der 1942 amerikanischer Staatsbürger wurde.

1943 übernahm Leinsdorf das Cleveland Orchestra, wurde jedoch zum Militärdienst eingezogen und verlor darüber das Engagement. Also wählte ihn das Rochester Philharmonic Orchestra zum Chefdirigenten, wo er von 1947 bis 1956 wirkte. 1956 wurde er musikalischer Leiter der New York City Opera, verspielte die Position jedoch innerhalb eines Jahres mit allzu ambitionierten Programmen vor halbleerem Haus. Zu seiner eigenen Verblüffung beschleunigte das Debakel seinen Aufstieg, und 1957 wurde er von Rudolf Bing als musikalischer Konsulent und ständiger Dirigent an die Metropolitan Opera zurückgeholt. Der Höhepunkt seiner Karriere wurde 1962 eingeläutet, als er in Nachfolge von Charles Münch die Leitung des Boston Symphony Orchestra und des Festivals in Tanglewood übernahm. In den folgenden Jahren sind viele legendäre Schallplattenaufnahmen entstanden. 1969 verließ Leinsdorf Boston, um dem unglaublich dichten Arbeitspensum zu entgehen, sein eigener Herr zu sein und weltweit als Gastdirigent aufzutreten. Später, 1977-80, wirkte er noch einmal als Erster Dirigent des Radio-Symphonieorchesters in West-Berlin, doch ansonsten nahm er keine Stellung mehr an. Seine 1976 erschienene, virtuos verfasste Autobiographie 'Cadenza: a Musical Career' zählt zu den lesenswertesten, aufschlußreichsten und undiplomatischen Musikerbekenntnissen des 20. Jahrhunderts.

 

Als er nach Boston kam, hatte Leinsdorf bereits den Ruf eines hervorragenden Mozart-Dirigenten, der in London für Westminster die erste Gesamteinspielung von Mozarts Symphonien geleitet hatte. Wolfgang Amadeus Mozarts 'Linzer Symphonie' in C-Dur KV 425, die sie nun hören, wurde 1967 vom Boston Symphony Orchestra unter Leinsdorf für RCA eingespielt. Die Symphonie hat die Sätze: Adagio - Allegro spiritoso, Poco adagio, Menuetto, und Presto.

2. MUSIK (Mozart)

Das Boston Symphony Orchestra unter Erich Leinsdorf spielte die Linzer Symphonie KV 425 von Wolfgang Amadeus Mozart. Als Dirigent der Wiener Klassik vertrat Leinsdorf eine nüchterne Musizierhaltung, die von aller Effekthascherei absah, aber auch für echte Innigkeit keinen Raum ließ. Das Griffige wird dem Poetischen vorgezogen. Er war sozusagen ein Prediger der musikalischen Vernunft, ein höchstrangiger Techniker, Praktiker und Lehrmeister der Musik. Studenten gegenüber unterstrich er besonders sein Ethos, der Musik zu dienen anstatt sich als 'genialer Interpret' über sie zu stellen. Dieser Einstellung huldigte Leinsdorf, der auch sehr komplizierte Partituren mit relativer Leichtigkeit lernte, in einem äußerst breiten Repertoire, das viele Raritäten, unbekannte Werke großer Meister und -- oft in sehr ausgeklügelten Programmkombinationen -- Neue Musik umspannte. Dass bei seinem immensen Arbeitspensum die Gefahr der Routine bestand, wußte er genau, und dies war nicht zuletzt auch der Grund dafür, dass er 1969 die Leitung des Boston Symphony Orchestra niederlegte. Als kongenialer Begleiter genoss der opernerfahrene Leinsdorf stets einen unumstritten phänomenalen Ruf, und dies nicht nur bei Sängern. So konnte der junge Itzhak Perlman sich absolut sicher fühlen, als er 1966 vom Boston Symphony Orchestra unter Leinsdorf sekundiert wurde. Sie hören das Violinkonzert in d-moll op. 47 von Jean Sibelius, mit den Sätzen: Allegro moderato; Adagio di molto; und Allegro ma non tanto.

3. MUSIK (Sibelius)

Das Boston Symphony Orchestra unter Erich Leinsdorf begleitete Itzhak Perlman im Violinkonzert von Jean Sibelius in einer Aufnahme von 1966. In seinen späten Jahren als Gastdirigent stand Erich Leinsdorf zwischen 1971 und 1992 mehrmals am Pult des Symphonie-Orchesters des Bayerischen Rundfunks. Seinen Einstieg gab er mit einer seiner besonderen Spezialitäten, den abendfüllenden 'Szenen aus Goethes Faust' von Robert Schumann, und zum Abschied leitete er ein Pfitzner-Strauss-Programm, das immerhin ein so seltenes Werk wie Richard Strauss' 'Tageszeiten' enthielt. Am 8. Juli 1990 dirigierte er im Münchner Herkulessaal der Residenz die Neunte Symphonie in e-moll op. 95 von Antonín Dvorák, die 'Symphonie aus der Neuen Welt', und die Aufführung unterstreicht, weshalb er vielen geradezu als Inbegriff dirigentischer Professionalität galt: sachlich, präzise, unsentimental, unerbittlich, drängend, geradeheraus. Die Satzbezeichnungen von Dvoráks Neunter Symphonie lauten: Adagio - Allegro molto; Largo; Molto vivace; und Allegro con fuoco.

4. MUSIK (Dvorák)

Zum zehnten Todestag des Dirigenten Erich Leinsdorf brachten wir Aufnahmen unter seiner Leitung, zuletzt in einem Konzertmitschnitt des Symphonie-Orchesters des Bayerischen Rundfunks von 1990 Antonín Dvoráks Neunte Symphonie, 'Aus der Neuen Welt'