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Egon Wellesz

Prosperos Beschwörungen op. 53 · Violinkonzert op. 84

Der Wiener Egon Wellesz ((1885-1974) war unter den nach London emigrierten Komponisten weit substantieller als z. B. Goldschmidt, eigentümlicher als der gleichfalls zu Unrecht vergessene Franz Reizenstein. Aber erst jetzt wird Wellesz für die CD entdeckt, so zuletzt sein Klavierkonzert und das späte Divertimento von 1969 (Pan Classics 510104/Vertrieb: Note 1). Und nun zwei Hauptwerke, darunter das 1938 unter Bruno Walter uraufgeführte Gipfelwerk kapriziösen orchestralen Raffinements "Prosperos Beschwörungen", in welchem von Mahler ausgehende, bestechende Instrumentation mit freier Handhabe technischer Mittel der zweiten Wiener Schule eine wildblühende Fusion eingeht, deren Zauber durch Albrechts unflexibel-striktes Dirigat eingeschränkt wird. Russisch-expressiv durchdringt Andrea Duka Löwenstein den hochvirtuosen Solopart des Violinkonzerts von 1961, in welchem gelegentlich reflexartig Bergs Violinkonzert durchschimmert und welches mit

seinen vier Sätzen (wie das erste Schostakowitsch-Konzert) formal eher eine Sinfonia concertante, also eine Symphonie mit zentralem Protagonisten, darstellt. Der Sperrigkeit der Schönberg-Schule steht hier ein Hauch antiken Theaters, rezitativisch artikuliertes Melos entgegen, was vielleicht mit Wellesz’ intensiver Befassung mit byzantinischer Liturgie zu tun hat. Wie gerne hörten wir nun Wellesz’ neun Symphonien, oder wenigstens erst mal eine davon!

Christoph Schlüren

(Rezension für Music Manual)

Andrea Duka Löwenstein (Violine)
RSO Wien, Gerd Albrecht
Orfeo C 478981 A