Dirigentische MusikDie Tondichtungen von Victor de Sabata |
Victor de Sabata (1892-1967) war einer der ganz großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Seine Aufnahmen des Requiems von Verdi, von Puccinis Tosca, Beethovens Eroica oder Werken von Brahms, Wagner, Debussy oder Respighi sind untrüglicher Beweis seiner eruptiv dynamischen Formkraft, Präzision und Spiritualität. Als Komponist erreicht er ein solches Niveau von Dichte und Aussage nie. Indes erweist er sich in den drei symphonischen Dichtungen, die seinen Namen als Tonschöpfer leidlich bekannt gehalten haben, als Meister großartiger Orchesterwirkungen. So effektiv und fantasiebegabt mit dem Instrumentarium umzugehen war ihm eben von Hauptberufs wegen gegeben. Einflüsse von Respighi, Richard Strauss und anderen sind offensichtlich, und de Sabata konnte sie nicht zu wirklich Eigenem verarbeiten. Jedoch gelangen ihm suggestive Stimmungsbilder und Aktionsgemälde von starker gestischer Wirkung. Was seiner Musik vor allem fehlt, ist eine bemerkenswerte melodische Erfindung. Es rauscht vorbei, und kaum etwas bleibt hängen. 'Juventus', eine 1919 konponierte Apotheose der Jugend, ist am kürzesten und schwungvollsten, das Lyrische darin hat womöglich die zauberhafteste Aura. 1923 folgte 'La notte di Plàton',
ein von starken Turbulenzen und Stimmungsumschwüngen durchzogenes
Weltanschauungs-Poem, das den Konflikt zwischen Fleisch und Geist
in Klangsymbolik überträgt. 1925 schließlich wurde
'Gethsemani' vollendet, das introvertierteste, zarteste und umfangreichste
der drei Werke. Zur Aufführung bedarf es eines Spitzenorchesters
mindestens vom Range des London Philharmonic, welches die dankbare
Aufgabe weitgehend bravourös meistert. Daß Aldo Ceccato
Victor de Sabatas eigener, tonlich kärglich überlieferter
Darbietung von 'Juventus' nicht das Wasser reichen kann, wissen
nur die wenigen, die das seltene Tondokument ergattern konnten.
Diese dirigentisch erfundene Musik klingt glücklicherweise
zu gut, um mit ihr baden zu gehen. |