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Anti Marguste

Instrumental- und Chorwerke: Symphonische Runen etc.

Diverse estnische Musiker – Archaischer Primitivismus

In "Tass teed" (Tasse Tee) beginnen die Chorsänger nicht mit Gesang, sondern mit Husten, denn in dem kleinen Chorstück geht es um eine Erkältung, die mit Kräutertee behandelt wird, was rührig zur Genesung führt und in Preisung der Gesundung endet: "Bravo!" Der 1931 geborene Este Anti Marguste, Schüler des bedeutenden Chorkomponisten Mart Saar, bewegt sich im Feld zwischen griffig Existentiellem, humorvoll Spielerischem und volkstümlich Archaischem. Die Esten haben die älteste und reichste Chorgesangstradition der Welt. Margustes hier vorgestellte Werke für Frauen-, Männer- und gemischten Chor sind nicht so kompromißlos archaisierend wie die Chöre seines im Westen bekannt gewordenen Generationsgenossen Veljo Tormis. Marguste schreibt ebenso stimm- und klangbewußt, aber unbekümmerter, spontaner. Sehr bildhaft kreisen seine Gesänge um Grunddinge des Lebens, um die Heimat usw. Die Aufführungen sind sehr expressiv und technisch exzellent. Das Concerto piccolo für 12 Flöten, 2 Bongos und Gong hat wahrlich seltsamen Reiz, klingt wie eine nordische Buschmusik. Augenzwinkernd mechanischer geht es in den Schalmeienweisen

für Schalmei, Flötenensemble und Streicher zu. Beide Werke erinnern in den dissonant parallel geführten Stimmen an Strawinskij und sind von skurriler Urtümlichkeit. Am eindrucksvollsten sind die knapp 20minütigen Symphonischen Runen von 1974, die auf kaum veränderten Volksmelodien beruhen, diesen aber gewaltige klangliche Dimensionen zuwachsen lassen. Der organumhafte Primitivismus, die eckig aufspringenden Rhythmen, die Steigerung ins Massive erinnern an ähnlich barbarische Werke des Isländers Jón Leifs. Zum Schluß triumphieren dunkle, kraftvolle Klangfolgen, wuchtig herausgeschleudert vom Symphonieorchester des Estnischen Rundfunks unter Neeme Järvi.

Christoph Schlüren

(Rezension für Music Manual)

ANTES BM-CD 31.9076
(Vertrieb: BELLA MUSICA)